mein Leben · von dieser Welt

Servus und mach’s gut!

7x hat er die Meisterschale schon gen Himmel gereckt, heute Abend wird er es ein 8. Mal tun.

7x hat er den Pokal gewonnen.

1x ist er Weltmeister geworden, 1x Champions League-Sieger.

Und das ganze wird getoppt von der Tatsache, dass er kein einziges Mal in seiner vierzehnjährigen Karriere als Profifußballer eine rote Karte gesehen hat.

Heute verlässt ein ganz großer Fußballer die Bühne – und das, obwohl er gerade mal 1,70 m ist. Die Rede ist natürlich von Philipp Lahm (von wem denn sonst??). Lahm ist er dabei aber gar nicht – sondern eher das Gegenteil: flink und klein und immer da, wo man ihn grade braucht.

Ohne Starallüren, ohne zu viel Privatleben im Fokus der Öffentlichkeit und ohne große Verletzungspausen (wenn man einmal vom Mittelfußbruch und seinem Kreuzbandriss absieht) hat er vierzehn Jahre lang das Leben des deutschen Fußballs erheblich mitgeprägt. Wechselgerüchte oder hohe Transferkosten gab es nicht – als 21-Jähriger wurde er von Bayern München zum VfB Stuttgart in Ausbildung geschickt und kam als Profi und Nationalspieler zurück. Dort ist er geblieben. All die Jahre, als ursprünglich linker, manchmal auch als rechter Außenverteidiger.

Er dirigierte das Spiel, anfangs noch mit rotem Kopf und piepsiger Stimme, später immer selbstbewusster und bestimmter, was dann auch mit Kapitänsposten bei Bayern und der deutschen Nationalmannschaft belohnt wurde.

Wenn ich an meine Geschichte mit ihm zurückdenke, erinnere ich mich nur an Gutes. Zum ersten Mal fiel er mir auf, als in der lokalen Zeitung von ihm berichtet wurde: sein erstes Länderspiel für Deutschland; süße 21 war er damals, unterstützt von seinem größten Fan und Unterstützer Oliver Kahn, der damals noch das deutsche Tor hütete. Ein Bild war in der Zeitung von Kahn und ihm und ein Zitat von Kahn: „Das hat er gut gemacht.“

Damals begann meine vielleicht größte, aber definitiv die erste Fangeschichte meines Lebens. Sämtliche Bilder, Zeitungsartikel, Magazine, Poster und was es alles gab und worauf er zu sehen war oder worin über ihn geschrieben wurde, wurden feinsäuberlich aufbewahrt in einem Order, der eigens für ihn angelegt worden waren. Zu Geburtstagen und Weihnachten wünschte ich mir Kalender und Fußballkarten um ihn live spielen zu sehen…

Wenn er litt, litt auch ich. Als er sich den Mittelfuß brach und damit seine Turnierteilnahme (welches Turnier es war, weiß ich nicht mehr) gestorben war, war ich untröstlich. Als er sich das Kreuzband riss (das übrigens auch mir mit 15 riss und ich bildete mir ein, wir wären Seelenverwandte…) und 6 Monate Spielpause einlegen musste, war dies die Zeit, in der ich umso mehr nach Neuigkeiten über ihn suchte und ihn mental unterstütze. Als kleiner Teenager ohne viel Erfahrung, bildet man sich ein, dass es helfen könnte…

Schließlich bekam ich zu meinem 13. Geburtstag ein Meet and Greet mit ihm geschenkt – damals war er noch ein unsichtbarer, kaum bekannter Spieler. Er war zu dem Zeitpunkt verletzt, sodass das Meet and Greet etwas warten musste, da es nach einem Training an einem Sonntagmorgen stattfinden sollte.

11. April 2005 – ein Sonntagmorgen – das war der große Tag! Das Foto von damals steht noch heute neben meinem Schreibtisch (bzw. bis zu meinem Umzug vor 2 Wochen stand es noch dort).

Wieder ein kleiner Schock, als er sich 2006 nur wenige Wochen (bzw. Tage?) vor dem Beginn der WM in Deutschland den Arm brach. Ich dachte schon, es wäre für ihn gelaufen, doch das kleine Kraftbündel hat mit Gips die Hälfte des Turniers gespielt und die andere Hälfte ohne. Das Eröffnungsspiel gegen Costa Rica (ich erinnere mich, dass ich neben meiner Uroma auf dem Sofa saß und soooooooooo mitgefiebert habe) rockte er wie kein anderer – nach nur 4 Minuten das erste Tor. Für Deutschland – von ihm – das erste Tor der WM und für Deutschland während dieser WM überhaupt. Deutschland hat das Spiel 4:1 gewonnen – auch dank seines unermüdlichen Einsatzes trotz Gipsarm.

Seither hat meine Begeisterung für ihn nie abgenommen. Das Sammeln von Bilder und Zeitungsartikeln hat aufgehört und erst vor wenigen Wochen habe ich meinen alten Ordner tatsächlich weggeschmissen, als ich ihn im Keller gefunden habe. Aber mein Interesse für seine Karriere und für seine Leistung wurde nach und nach zu Respekt und mehr als das, denn ich begann den wahren Wert dieses Spielers zu verstehen – nämlich ohne Starallüren und Wechselkonflikte, ohne Schauspielerei auf und neben dem Platz. Er war einfach da und er machte seine Sache gut, auch wenn er unsichtbar war.

Vor 40 Minuten hat er sein letztes Bundesliga-Spiel am letzten Spieltag der Fußball-Bundesliga 2016/2017 absolviert. Wenn später die Sportschau im Ersten läuft, werde ich sie seit vielen Jahren einmal wieder anschauen nur um meinen Philipp noch mal spielen zu sehen.

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge lass ich dich ziehen – denn ich weiß, dass wir dich wieder sehen werden als irgendeinen Funktionär, vermutlich in der Jugendarbeit, denn du bist für viele Nachwuchsspieler ein großartiges Vorbild. Von dir könnten sich wirklich viele Spieler eine Scheibe abschneiden.

Lieber Philipp, ich danke dafür, dass du ein so grandioser Mensch bist und großartiger Spieler warst! Der deutsche Fußball wird dich sicherlich vermissen, so wie viele deiner Fans und auch ich dich als aktiven Spieler vermissen werden. Servus und mach’s gut!

Dieses Bild gehört RP Online.

(Ja, da war er noch seeeeeeehr jung… 21 um genau zu sein^^)

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